Beim Album der Woche bespricht jeweils ein Mitglied der BACKSPIN Gang das nach unserem Ermessen spannendste neue Rap-Album. Komplett subjektiv, Track by Track und bewertet auf einer Skala von 1-10. Dafür bespricht unser Autor Yannick, das zweite Überraschungsprojekt von Denzel Curry in diesem Jahr: „Unlocked“ zusammen mit Kenny Beats.
Künstler: Denzel Curry, Kenny Beats
Titel: Unlocked
Features: –
Produzenten: Kenny Beats
Releasedate: 07.02.2020
Label: PH Recordings/ Loma Vista
Yannicks Erwartungshaltung:
Überraschung! Hab ich nicht kommen sehen. Nur vier Wochen nach dem superbösen „Blood In Blood Out Mixx“ gibt’s schon wieder ein neues Denzel Curry Projekt. Freue mich aber umso mehr, denn sowohl Denzels brachiale „Zuu“ LP als auch Kenny Beats’ Kollabo-Tapes mit Rico Nasty und Vince Staples gehören bei mir zu den meistgehörten Platten des letzten Jahres. Es dürfte eine ziemlich harte, drückende Alternative-Rap-Platte mit „Unlocked“ entstanden sein. Dazu wurde außerdem ein Kurzfilm gedreht, der wohl die ganze Platte beinhaltet. Ich werd’ also einfach gleich beides gekoppelt aneinander besprechen.
1. Intro
Erinnert mich an Martial Arts Kino und natürlich an den Opener von „Madvilliany“. Filmreferenzen und -samples aus B- und Trash-Movies haben sich in den letzten Jahren aber auch zu einem der Trademarks von Kenny Beats entwickelt. In den zwei Zeilen, die Denzel gehören steckt schon eine Star Wars Referenz drin. Auch der Film startet sympathisch trashy: Denzel und Kenny haben an einem Tape gearbeitet, das plötzlich geleaked wurde. Natürlich hat Kenny eine Technologie parat um den eigenen Geist ins Digitale zu übertragen. Die beiden machen sich auf den Weg, den Leak wieder zurückzuholen.
2. Take_it_Back_v2
Ein anderer Sound als ich es von beiden erwartet hätte – sehr viel trockener, sehr viel samplelastiger. Schließt sehr gut ans Lo-Fi Intro an. Tut dem nichts zur Sache, dass Denzel natürlich auch auf einem aufgeräumten Boom Bap Beat unglaublich energisch spuckt. Am intensivsten ist die gepitchte Hook in der zweiten Songhälfte. Grade die funktioniert in der düsteren Ästhetik der Uzumaki Comics, die für das Video rekonstruiert wurde, hervorragend. Der Kurzfilm hat jetzt schon etwas den Vibe eines postmodernen Videospiels, dass sich mit seiner Storyline durch zahlreiche Popkultur-Referenzen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte schlängelt.
3. Lay_Up.m4a
Wie kurz die Songs sind… Trotzdem ist alles voll mit Querverweisen. Star Wars, Marvel, GTA, Der Pate, Soul Train und mehr finden Platz in nur knapp 90 Sekunden Song. In „Unlocked“ findet sich bisher ein Paradis für Nerds. Der nächste Teil des Videos interpoliert Scooby Doo und fährt den Erzählcharakter eines Videospiels, bei dem man sich von Boss zu Boss spielt, weiter.
4. Pyro (leak 2019)
Der Song ist super kurzweilig, der dazugehörige Clip ebenfalls. Schöne Punches dabei. Die beiden hangeln sich in Stop-Motion-Optik durch eine Quest zur nächsten geleakten Single. Außerdem tauchen am Ende die Zeilen aus dem Intro der Platte erneut auf.
5. Diet_
Denzel Curry scheint in seiner Kindheit viel Zeit mit Cartoon Network verbracht zu haben. Vierter Clip, vierte Cartoon-Serie (Samurai Jack). Das Dschungel-Motiv des Videos – in dem Kenny Beats wider Willen zu einem hypnotisierten Affen-Herrscher erkoren wird – funktioniert hervorragend mit dem Beat.
6. So.Incredible.pkg
Das ganze Video ist wirklich phänomenal. Im fünften Part switchen wir in die Ästhetik von Wacky Races aus den 60er Jahren. Schon die erste Zeile der Hook ist eine Verneigung vor Diddy. Alles hier macht grade Spaß.
7. Track07
Der Beat gefällt mir auf dem ganzen Projekt am besten, ich liebe die funky Baseline, das Dosen-Klackern, das vermittelt Kaytranada-Vibes! Eigentlich ist es nicht mehr als ein Reprise des Vorgänger-Songs, die vielen Insturmental-Parts und die Local Pitches machen aber einfach Spaß. Im Video, das ästhetisch an die ersten Disney-Cartoons erinnert, begeben sich Denzel und Kenny in den Kampf gegen den Kapitalimus, personifiziert von dem Monopoly-Mann und zahllosen Bürowaben voller blind ackernder Lookalikes. Das gibt dem sonst so kindlich-euphorischen Projekt nochmal eine weitere Facette.
8. ‚Cosmic‘.m4a
Krasse Delivery, krasser Flow! Ein schöner dynamischer Closer, der im Film in bester Anime-Manier mit einem überbordenden Kampf visualisiert wird. Typisch für Kenny Beats wird auch hier wieder ein Film-Sample eingearbeitet und damit ein smoother Ausstieg für das ganze Projekt geschaffen. „Who’s gonna stop me?“ bleibt als Frage im Raum stehen. Bei einem outstanding Tape pro Monat aktuell sicher niemand.
Fazit:
Wenn die Schlagzahl samt Qualität bei Denzel Curry über 2020 derart hoch bleibt, dann erwartet uns ein unglaublich spannendes Jahr. „Unlocked“ funktioniert in erster Linie als Gesamtprojekt, ist mehr als die Summe seiner Teile. Ein Fest für Popkultur-Liebhaber, das besonders durch die Selbstverständlichkeit, die es ausstrahlt, besticht. Denn obwohl die Songs allesamt eher skizzenhaft aufgebaut sind, zieht sich eine Detailverliebtheit durchs ganze Projekt, auf dem Denzel Curry als Cartoon-Liebhaber zahlreiche prägende Einflüsse auf visueller und auditiver Ebene zitiert. Dass es außerdem eben nicht im zu erwartenden Brachial-Sound, den das Line Up vermuten ließe, verströmt, ist meine Kirsche auf der Sahne. 8