Die Hohe Fünf mit Björn Rohwer über seinen Spiegel-Artikel zum Thema Sexismus im Deutschrap

Spiegel Sexismus

Björn Rohwer ist als freier Journalist tätig. Neben seiner Affinität für Technik, dreht es sich in seinen Projekten meist um Kultur, Sport oder Digitales. Kürzlich ist ein Artikel von ihm beim Spiegel erschienen. Nicht der erste Artikel, den Björn Rohwer für den Spiegel geschrieben hat. Neben dem Spiegel war er auch schon für den NDR, die Zeit und ProSieben Games tätig. Sein Artikel, in dem er Sexismus im Deutschrap thematisiert, führte teils auch zu negativen Reaktionen, vor allem aus der Rapszene. 

Basis des Artikels war eine Datenanalyse von über 30.000 Liedtexten. Rohwer selbst sagt, dass seine Idee für den Artikel durch eine Datananalyse von PULS(Bayerischer Rundfunk) von vor einigen Jahren, ebenfalls zu sexistischen Lines im Deutschrap inspiriert wurde. Jedoch wollte er mit einer deutlich breiteren Datenbasis nochmals genauer nach Trends und Besonderheiten suchen. Wann kam die härtere Sprache in den Deutschrap? Wie entwickelte sich das Vokabular über die Zeit? Ist das Genre, heute im Mainstream angekommen, mittlerweile sprachlich doch unproblematischer? Wir haben ihm einige Fragen zu seiner Analyse und dem Thema Sexismus im Deutschrap gestellt. 

Wieso ist die Untersuchung und Analyse von Sexismus im Deutschrap wichtig? 

Eine solche Analyse des Sexismus ist nicht im Speziellen etwas, was nur im Deutschrap wichtig ist – jedes musikalische Genre sollte dahingehend auf die Probe gestellt werden. Kultur kann Ungerechtigkeiten anprangern, kann sie aber auch normalisieren. Daher ist es gerade in einer männlich-dominierten Branche wie der Musikindustrie wichtig, auf Sexismus hinzuweisen und dort genau hinzuschauen.

Dass letztlich in diesem Artikel das Genre Deutschrap thematisiert wurde, liegt unter anderem an den Werkzeugen, die mir als Datenjournalist zur Verfügung stehen. Ich hätte sehr gerne gleichwertige Analysen auch zu Schlager, Rock oder Pop aufgestellt; aber dort wäre dann auf dieser oberflächlichen Sprachebene das einzige Ergebnis gewesen; dass kaum sexistische Begriffe verwendet werden. Andere Genres sind da meist viel subtiler in ihrem Sexismus. Deutschrap ist direkter und rückt dadurch schneller in den Fokus. Das heißt aber nicht, dass Sexismus primär ein Deutschrap-Thema ist.

Du hast sicher die Reaktionen aus der Rapszene mitbekommen. Wie würdest du diese bewerten?

Viele der aufgeregtesten Reaktionen, die ich mitbekommen habe, waren auf die Grafiken gerichtet – und das kann ich voll und ganz verstehen. Grafiken sind die Teile, die als Erstes ins Auge fallen und sich rausgreifen lassen. Sie erzählen in diesem Fall aber nicht die ganze Geschichte.

Die Rapper*innen, die dort auf den Spitzenplätzen stehen, arbeiten mit sexistischem Vokabular und verwenden es teilweise exzessiv. Das sagt allerdings noch nichts über den Kontext und selbstverständlich auch nichts darüber aus, wie die KünstlerInnen sich außerhalb ihrer Rollen geben. Auch wenn es so gelesen wurde, wurde hier am Ende kein Ranking der größten Sexisten aufgestellt – das kann ich nicht und war nie mein Ziel. Anhand dieser Grafiken ließen sich dann im Text viel mehr die Unschärfen der reinen Textanalyse zeigen: Wenn beispielsweise ein Frauenduo die meisten sexistischen Begriffe pro Song hat, reicht es eben doch nicht, einfach nur Sexismen zu zählen.

 

Welchen Unterschied gibt es in der reinen Verwendung sexistischer Begriffe in Raptexten und tatsächlich gemeinten Sexismus?

Ob ein sexistischer Begriff in einem Raptext am Ende auch als verletzend empfunden wird, sollte wahrscheinlich nicht ich als heterosexueller Mann bewerten. Je nachdem wie strikt man an die Frage geht, ist jede Verwendung von sexistisch degradierenden Begriffen, wenn sie nicht wie bei SXTN empowerend benutzt werden, in einem gewissen Rahmen auch sexistisch. Egal ob die Begriffe nun unterhaltend oder ernst gemeint waren. Welche sexistische Zeile nun auch tatsächlich sexistisch „gemeint“ ist, lässt sich meist nicht zu 100 Prozent feststellen – weder von dem Skript in der Analyse, noch von mir oder irgendeinem anderen Hörer. Klar ist es schlimmer, wenn Rapper bewusst Frauen erniedrigen wollen. Mit Sicherheit werden viele, wenn nicht sogar die meisten sexistischen Zeilen aber nicht mit der Intention „Heute bin ich mal Sexist“ gerappt. Es braucht am Ende nicht diesen Hintergedanken, um zu verletzen oder zu degradieren.

Schätzt du offensichtlichen oder unterschwelligen Sexismus im Deutschrap als gefährlicher ein?

Ich will jetzt keine Art des Sexismus verharmlosen – offensichtlicher Sexismus trägt definitiv zur Normalisierung bestimmter Verhaltensweisen oder Begriffe bei. Aber der unterschwellige Sexismus hat meiner Meinung nach noch einen breiteren Einfluss. Wenn jemand sehr direkt sexistische Zeilen rappt, die schon alleine wegen der Schlüsselwörter für jeden erkenntlich sind, dann bilden mehr Hörer eine Distanz zu dem Gesagten. Es sind eher die unterschwellig sexistischen Bilder, die sich unbewusst bei den Hörern und Hörerinnen festsetzen. Wirklich expliziter Rap findet kaum im Mainstream statt, wird nicht beiläufig im Radio gehört – vermeintlich „harmlose“ Musik wird leichter einfach so hingenommen; auch wenn die Message nach genauerer Betrachtung fragwürdig ist.

Wie schätzt du den Ausblick im Deutschrap ein und welches Fazit ziehst du aus der Analyse dieser Lieder?

Zumindest die Verwendung offensichtlich sexistischer Sprache nahm zuletzt ab – das ergibt meiner Meinung nach auch Sinn für ein Genre, das immer größer wird und durch die Zuwendung zum Mainstream auch zumindest in Teilen radiotauglicher werden will. Da muss dann der Sexismus subtiler versteckt werden. Ob Sexismus im Ganzen zu oder abnimmt lässt sich daran aber überhaupt nicht festmachen.

Fazit: Es ist kompliziert. Datenjournalismus kommt bei der Bewertung von Kultur schnell an seine Grenzen. Ja, ich kann nach dieser Untersuchung etwas über die Entwicklung sexistischer Sprache im Deutschrap sagen – dadurch lässt sich aber nicht Eins zu Eins auf Sexismus schließen. Das reine Zählen gibt mir keine Infos über den Künstler, Kontext, Ironie, Intention. Deswegen dreht sich der Großteil des Textes auch um die Einschränkungen meiner Analyse. Sexistische Sprache gehört seit Aggro Berlin zur Szene dazu, ist aber nur ein Indikator für Sexismus.