„Früher oder später hätte ich sowieso auf spanisch gerappt.“ – Haszcara über ihre EP „Hautnah“

Haszcara ist MC mit Leidenschaft. Sie ist nicht nur eine begnadete Rapperin, sondern hält auch die Fahne hoch für MCs aller Art. Neben ihrer Karriere als Rapperin gibt sie Workshops auf Veranstaltungen und in Schulen, um Menschen neben Skills auch die Hip-Hop- Kultur und ihre Werte näher zu bringen. Haszcara wird schon seit langem als „Hoffnungsträgerin“ für Deutschrap betitelt. Am Freitag ist ihre neue EP „Hautnah“ erschienen. Darauf präsentiert sie nicht nur ihre Skills, sondern auch ihre persönliche Entwicklung. Wir haben das Release der Wahl-Berlinerin zum Anlass genommen, mit ihr über ihr Signing, die Zeit nach ihrem Debütalbum und ihre Motivation zu sprechen.

Haszcara und ich führen unser Interview per Telefon. Die Corona-Krise hat schon ein deutliches Ausmaß angenommen, dass sie als Künstlerin und mich als Redakteur sichtbar beeinflusst. Ich möchte von ihr wissen, was sich im Laufe ihrer Karriere für sie verändert hat und wie sich die momentane Zeit auf ihre Arbeit auswirkt.

Bei Haszcara hat sich in den letzten Jahren viel getan. 2015 nah sie sich das VBT als Bühne, 2017 erschien ihre erste EP „Roter Riese“, anschließend unterschrieb sie einen Labeldeal bei Audiolith und veröffentlichte ihr Debütalbum „Polaris“. Außerdem spielte sie Gigs auf dem Splash!, der Fusion, dem Hip Hop Kemp und viele mehr. Wegen diesen ganzen Erlebnissen, möchte ich von ihr wissen, was sich die letzten Jahre für sie geändert hat: „Da liegt ein riesiger Lernprozess dazwischen. Du wirst ja einfach in das Becken reingeschmissen und weißt überhaupt nicht, was auf dich zukommt. Musikalisch weiß ich mittlerweile eher, was ich will bzw. was ich sagen möchte. Aber es ist natürlich auch ein riesiger persönlicher und privater Prozess mit drin. Man muss halt manchmal einfach durchgreifen und direkt sein.“

In der Vergangenheit, war das oft anders. „Wenn einem jemand hilft und man nicht rich ist und der Person nicht viel zahlen kann, dann traut man sich auch nicht zu sagen ‚Das sollte noch anders sein.’ Inzwischen bin ich ein bisschen selbstbewusster, direkter und natürlich auch abgegrenzter. Ich weiß mehr, wer ich bin und bin nicht so abhängig von der Kritik von anderen.“ Das hat natürlich ihre Erfahrung gemacht. Ihre EP „Roter Riese“, hat sie noch in Eigenregie produziert und über das Indielabel Das Label mit dem Hund veröffentlicht. Auf der EP thematisierte sie unter anderem Sexismus und Zugehörigkeitsprobleme. Sie schrieb über schlechte Zeiten und darüber, an ihnen zu wachsen. Das machte das Label Audiolith auf sie aufmerksam, bei dem sie seit 2018 unter Vertrag steht und ihr Debütalbum „Polaris“ veröffentlichte. Das Album wirkt auf mich noch melodischer, als der Vorgänger. Haszcara wirkt hier schon um einiges selbstsicherer und representet auch schon mehr. Sie kritisiert gängige Stereotype und schafft sich ein starkes Standing in der Deutschrap-Szene.

„Ich hab prinzipiell immer Bock auf Mucke machen.“

Nun soll die Labelarbeit ja Künstler*innen unterstützen und ihnen auch die Freiheit geben, sich möglichst auf die Musik konzentrieren zu können. Auf „Hautnaht“ rappt sie allerdings „Fühl mich wie ’ne Sekretärin, weil ich alles regel“. Inwieweit erleichtert die Labelarbeit also das Musikmachen für sie? „Mein Aufwand hängt an den Entscheidungen, die ich treffe. Audiolith ist ein Label, das Leute supportet, weil sie sie gut finden. Die reden mir nicht rein. Ich hab quasi die komplette Handlungsfreiheit mehr oder weniger.“ Komplette Handlungsfreiheit heißt aber auch, dass Haszcara viele Entscheidungen treffen muss. Angefangen bei der Reihenfolge der Tracklist, über die Entscheidung, welche Termine sie wahrnehmen möchte und so weiter. Auf ihren musikalischen Output hat die Labelarbeit keinen Einfluss. Über was sie sich eher Gedanken macht, ist die Form, in der sie ihre Musik veröffentlicht. „Ich habe eigentlich immer Output. Ich schreibe und produziere die ganze Zeit. Es geht eher darum, was und in welcher Form, ich es mit der Welt teilen möchte.“ 

Haszcara
Bastian Bochinski

„Ich hätte am liebsten einfach nur Singles gemacht.“

Mittlerweile weiß sie mehr über den Prozess, ein Album zu vermarkten und eine Promophase durchzuführen. Dennoch hat sie sich dazu entschieden, anstelle eines zweiten Albums, erstmal nur eine EP herauszubringen. „Ein Album zu machen ist wirklich super, aber es ist auch sehr viel Arbeit.“ Ihr Debüt „Polaris“ war ein Konzeptalbum. Hier hat sie sich genau überlegt, was ihre Geschichte sein soll. Was sie erzählen möchte. Sie hat so ziemlich alles selbst entschieden und umgesetzt. Das Ergebnis hat sie allerdings nicht genug zufriedengestellt. „Ein Album wird heute, in Zeiten von Streaming, nicht mehr so gewertet, wie früher. Die Aufmerksamkeitsspanne wird kürzer und die Wenigsten hören sich noch ein ganzes Album an. Mich mit eingeschlossen. Ich hatte einfach mehr Bock, mich auf einzelne Lieder zu konzentrieren.“ Ein weiterer Punkt, ist die Zeit, die zwischen Entstehung und Release liegt. Ihre Hoffnung war es, dass es mit dem Release einer EP, im Gegensatz zu einem Album, schneller geht. „Das hat natürlich dann doch nicht wirklich so geklappt“ sagt sie und lacht. Allerdings gibt es ihr jetzt schneller einen Raum, weitere Musik zu veröffentlichen.

 

Beim Hören der EP kam es mir vor, als würde Haszcara auf jedem Song eine andere Facette zeigen. Mal etwas aggressiver, mal sehr persönlich. Allerdings verbindet jeden Song ein roter Faden. „Was sie alle gemeinsam haben ist, was so passiert ist und wie sich mein Leben verändert hat.“ Damit meint Haszcara verschiedene Aspekte. Sowohl politisch als auch in ihrem Privatleben. In ihrem Lied „Schon lange“ prangert sie an, dass Frauen im Rap dazu angehalten werden, zu konkurrieren. Sie steht für Solidarität. Das merkt man auch an der Art, wie sie frontet. „Nein ich klinge nicht wie die, alle klingen so wie ich / Ja wir sind alle MCs, aber unterschiedlich.“ Haszcara möchte nicht anderer Menschen Mütter beleidigen. Darin sieht sie auch keinen Grund. Schließlich ist die Mutter der Person gegenüber ja niemand, gegen die sie etwas hat. „Es langweilt mich einfach nur, Rap über Eier zu hören. Sei einfach nice und geil. Das hat auch wieder was mit Direktheit, Ehrlichkeit und Realness zu tun.“

Was die Facetten angeht, lag ich nicht ganz richtig. Natürlich wollte sie etwas Abwechslung auf ihrer EP zeigen. Aber die Konstante ist ihre Einstellung. „Ich hätte definitiv auch mehr Tracks gehabt, die sich eher von denen auf der EP unterschieden haben.“

„Ich habe mir schon sehr lange gewünscht, auch in meinen anderen Muttersprachen bzw. Vatersprachen zu rappen.“

Was aber definitiv eine Neuheit ist, ist ein Part auf ihrem Song „Hautnah“. Hier rappt Haszcara nämlich auf spanisch. Ihr trilinguales Aufwachsen hat sie schon in der Vergangenheit thematisiert. Bereits auf „Roter Riese“ rappte sie: “Nirgendwo zu Hause und überall Fremd, wer das Gefühl kennt, weiß, man würd’ es lieber nicht kennen“. Ihre Elternteile kommen aus Kroatien und Mexiko. Mit beiden unterhält sie sich auf unterschiedlichen Sprachen. Das machte ihre Identitätsfindung natürlich nicht einfach. Fragen wie: „Wer bin ich? Wo gehöre ich hin?“ sind für sie nicht einfach zu klären. Dennoch glaubt sie, Kinder verschiedener Herkünfte sind auch sehr wichtig für eine Gesellschaft und können Menschen und Kulturen miteinander verbinden. Die Sprachen in ihre Musik einzubinden, hat sie sich schon lange gewünscht. Das hatte zum einen den Grund, dass sie selbst Musik in ihren Muttersprachen hört und es einfach schön findet, zum anderen, dass sie mit der Person, an die das Lied gerichtet ist, auch die Sprache verbindet. “Früher oder später hätte ich sowieso auf spanisch gerappt. Einfach weil es meine Sprache zu Hause ist.“ Da sie jetzt einen spanischen Part veröffentlicht hat, interessiert mich natürlich auch, ob denn in der nächsten Zeit auch mal ein Part von ihr auf kroatisch zu erwarten ist. „Klar auf jeden Fall! Es ist mir irgendwie auch super wichtig! Ich bin selbst seit noch nicht allzu langer Zeit auf der Suche nach meiner Identität und hab‘ natürlich auch schon ein paar Sachen geschrieben. Aber die sind jetzt noch nicht releasereif. 

Ein anderer Song der EP – „Riker“ – zeigt nicht nur ihr Fantum für Science-Fiction, sondern thematisiert vor allem moderne Beziehungen. „Science-Fiction ist schon geil. Ich finde, es erzählt uns etwas über die Gesellschaft und was sie werden könnte. Von Dystopien bis hin zu Utopien gibt es ja alles. Viele solcher Geschichten, auch Bücher, beschäftigen sich mit Fragen wie: Wie wollen wir, dass die Welt aussieht und wie wollen wir es nicht? Damit sind sie auch wahnsinnig philosophisch, politisch und psychologisch. Das finde ich sehr faszinierend.“ In einer Beziehung ist es Haszcara sehr wichtig, auf Augenhöhe zu sein. Weg von dem veralteten Spruch „Was sich liebt, dass neckt sich“. Einen süßen Witz kann man mal machen. Aber es ist viel wichtiger zu zeigen, dass man sich wertschätzt. Genau diese Werte fehlen ihr in der Gesellschaft.

 

Das Thema Partizipation ist ihr sehr wichtig. Dass alle den gleichen Stellenwert haben und in Beziehungen wie auch im Hip-Hop gleichberechtigt sind. Auf ihrem Song „Schon lange“ thematisiert sie eben diese. Das Lied ist das perfekte Beispiel dafür, wie man fronten kann, ohne auf die herkömmliche Art zu beleidigen. Haszcara legt den Fokus nicht darauf, wer schlechter ist als sie, sondern darauf, was das Besondere an ihr selbst ist. Sie zelebriert die Individualisierung: „Ich find‘ alle diese Girls dope. Aber jede von uns ist ’n anderes Girl, Bro.“

„Es gibt halt nicht nur Frauen und Männer.“

Ihr ist es aber nicht nur wichtig, Frauen zu unterstützen, sondern auch Menschen, die sich nicht nur einem Geschlecht zugehörig fühlen. „Ich glaube, dass queere Leute und vor allem Transleute nirgendwo richtig einen Ort finden, um Support zu kriegen. Deswegen würde ich das Thema gerne öffnen und rappe auch zum Beispiel: „Ich versteh’s nicht. Wieso denken sie, wir wären ähnlich? Nur weil die meisten von uns was in sich tragen, für Babys.“ Sie bekommt es selbst mit, dass viele Menschen diese Geschlechterkämpfe führen und will sie auf jeden Fall unterstützen. Sie sieht es als Lernprozess, der ihr sehr wichtig ist.

Auf der Tapefabrik im März wollte sie dem Song ein Video widmen. Wegen Corona musste das natürlich ausfallen. Nun hat sie eine Aktion gestartet, bei der ihr Fans, selbstgedrehte Videos schicken können, aus der sie dann ein Musikvideo schneiden möchte. In ihrem Song, wie auch in ihrem Video, will sie eine starke Community zeigen. Und wenn das nicht bei Veranstaltungen wie der Tapefabrik möglich ist, dann eben online. Außerdem sieht sie es auch als eine schöne Möglichkeit, Menschen zu beschäftigen, denen zur Zeit die Decke auf den Kopf fällt. „Ich glaube, es ist auch einfach schön, ein Teil von sowas zu sein.“

Haszcara
Bastian Bochinski

Aber nicht nur an verworfenen Video-Plänen sieht man, dass die Corona-Krise nicht spurlos an Haszcara vorbei zieht. All ihre Veranstaltungen der nächsten Zeit, sind erstmal abgesagt. Ihr Workshops finden nicht statt. Manche Sachen kann man mit Videokonferenzen ersetzen, und manche nicht.“ Vor allem, dass ihre Arbeit an Schulen wegfällt, ist sehr ärgerlich. Sie wird normalerweise oft für Rap AGs angefragt, bei der sie den Teilnehmer*innen nicht nur Technik und Skills vermittelt, sondern Rap auch oft mit politischer Bildung verbindet. Sie zeigt den Schüler*innen, was Empowerment ist und bringt sie dazu, Geschlechterrollen zu hinterfragen. Ihre Workshops kommen super an. Manche Kids schreiben ihr noch heute. 

Musik machen kann sie glücklicher Weise noch. Equipment hat sie zu Hause und auch schon per Videosession musiziert. Natürlich hoffe ich, dass sich die Situation bald wieder entspannt. Dass Veranstaltungen wieder stattfinden können und Künstler*innen wie Haszcara wieder in Gänze Arbeiten können. Bis dahin bleibt uns aber nichts anderes zu tun als abzuwarten. Also bleibt für heute nur noch zu sagen: Alles Gute zum Release!!