6lack im Interview über seine neue EP, Hackangriffe und Perfektionismus

6lack
Nima Khalilian

Der amerikanische Künstler 6lack hat in seiner noch kurzen Karriere bereits erstaunliches erreicht. Mit nur zwei Studioalben erreichte der Künstler aus Atlanta eine einzigartige Stellung in der amerikanischen Rapszene und wurde dreifach für den Grammy nominiert. Mit einem innovativen Sound zwischen Hip-Hop und R’n’B schaffte er 2016 seinen Durchbruch mit dem Song „Prblms“ und prägte mit seinen Stil die amerikanische Raplandschaft.

Fast zwei Jahre sind seit seinem letzten Album „East Atlanta Love Letter“ vergangen und die Vorfreude seiner Fans auf neue Musik wuchs stetig. Ende Mai kam dann der Lichtblick: 6lack veröffentlichte den Song „ATL Freestyle“ und kündigte kurz darauf eine „Geburtstags-EP“ mit dem Titel „6pc Hot“ an.

6lack und ich telefonieren an einem Donnerstag, ein Tag nach seinem Geburtstag und ein Tag vor dem Release seiner neuen EP „6pc Hot“. Mit einer Zeitverschiebung von neun Stunden melde ich mich aus Hamburg bei ihm. Ein Tape zu seinem Geburtstag zu veröffentlichen, ist natürlich stressig, erzählt er mir. Daher wollte er sich eine kleine Auszeit von der Stadt nehmen und fuhr in die Berge, einige Stunden von Los Angeles entfernt.

Die Maßnahmen zur Bekämpfung des Covid-19 Virus der vergangenen Monate zogen natürlich nicht spurlos an ihm vorbei. 6lack lebt in Los Angeles, seine Tochter in Atlanta. Fast zwei Monate lang konnten sie sich nicht sehen. Jetzt pendelt er zwischen beiden Städten hin und her. Neben den privaten Einschränkungen hatte die Zeit aber auch einen großen Einfluss auf seine Kunst. „Ich glaube, es gab Ups und Downs,“ erzählt er. „Die momentane Zeit erlebt jeder anders. Ich habe versucht, mit Ruhe an die Sache heranzugehen. An manchen Tagen kamen mir einige Ideen und an anderen nicht.“ Damit spricht er die Produktion seiner neuen EP an. Die entstand fast ausschließlich in den vergangenen Monaten. Obwohl diese Form der Veröffentlichung zunächst nicht vorgesehen war. „Wir hatten nicht geplant zwei Singles und dann ein Tape herauszubringen, sondern wollten in erster Linie einfach wieder Musik veröffentlichen. Letztendlich hatten wir dann diese sechs Track starke EP.“

Nima Khalilian

Bevor wir aber genauer auf „6pc Hot“ eingehen, möchte ich mit ihm über die dazugehörige Promophase sprechen. Hierfür veröffentlichte er die Website 6lackbox.com. Eine Dropbox ähnliche Seite, auf der er in erster Linie Behind-The-Scenes Material veröffentlichen wollte, aber auch beispielsweise Links zu Wahlregistrierung eingebettet hat. Was mir aber vor allem ins Auge gestochen ist, ist ein passwortgeschützter Ordner mit dem Titel „Album 3“. Können wir uns also bereits auf ein neues 6lack Album in den nächsten Monaten freuen? „Ich kann das ehrlich gesagt wirklich gar nicht beantworten,“ antwortet er. „Ich habe schon einiges ausgearbeitet aber ich möchte nicht zu viele Erwartungen wecken. Ich will, dass es perfekt wird und das braucht einfach seine Zeit. In dem Ordner befinden sich aber schon ein paar Songs“ ergänzt er und kichert.

Diesen perfektionistischen Anspruch merkt man in nahezu allen seiner Projekte. Dennoch wundert es mich, dass er das Risiko eingeht, unveröffentlichte Musik auf eine solche Plattform hochzuladen. Ist das nicht etwas unsicher? „Der Ordner wurde tatsächlich schon gehackt,“ antwortet er. „Aber zum Glück war er zu dem Zeitpunkt noch leer, also haben wir einfach die Security verdoppelt.“ Er nimmt das also sehr gelassen.

Was ein neues Solo-Album angeht, werden wir uns demnach noch ein wenig gedulden müssen. Anders sieht das bei Spillage Village aus, der Crew, der auch 6lack seit Ende 2014 angehört. Gegründet wurde das Kollektiv bereits 2010 von der Earthgang und zählt mittlerweile sieben Mitglieder. Zwischen 2014 und 2016 veröffentlichten sie die Trilogie „Bears Like This“. Danach wurde es bis auf ein paar Singles still um die Gruppe. Jedenfalls bis Anfang Juni in diesem Jahr, als sie ihren neuen Song „End of Daze“ veröffentlichten und im selben Zug ihr viertes Album „Spilligion“ ankündigten. Der Albumtitel lässt bereits vermuten, dass es sich bei dem neuen Projekt um keine Fortsetzung der vorherigen Trilogie handeln wird. „An dem Projekt arbeitet die Gruppe schon sehr lange, noch bevor ich zu ihnen nach Atlanta kam. Ich bin dann gegen Ende mit aufgesprungen. Ähnlich wie bei der „Dreamville“ Session damals. Aber wir haben sowohl ältere als auch aktuelle Projekte gesammelt und ich glaube es wird ein großartiges Album!“ Wann das herauskommt, kann er aber auch nicht genau sagen. Die Gruppe stehe aber in ständigem Kontakt und wir sollen schon sehr bald mehr von ihnen hören können.

 

„I grew up eating hot wings and bumping gucci“

Nun aber endlich zur neuen EP. Was auf „6pc Hot“ besonders zum Vorschein kommt, ist die Verbindung zu seiner Heimatstadt Atlanta. Wie ein roter Faden ist das Tape von Referenzen durchzogen. An sein Aufwachsen, Orte an denen er früher abhing, was sich verändert hat und was gleich blieb. Der einzige Featuregast auf dem Tape, hat eine ähnliche Verbindung mit der Stadt. Lil Baby wuchs auch in Atlanta auf. Die beiden kennen sich aber erst seit kurzem. „Wir haben gemeinsame Freunde, uns aber nie persönlich getroffen. Ich wollte ihn dennoch schon lange auf einem Song haben und dachte, jetzt ist der perfekte Zeitpunkt.“

Als 6lack den ersten Part aufnahm, wusste er nicht, ob er noch einen zweiten brauchen würde. Nachdem dann Lil Babys Part kam war klar, dass das nicht nötig ist. „Das war in etwa wie bei einem Basketballteam. Man weiß einfach, dass man sich auf seinen Mitspieler verlassen kann. Und er hat es einfach gekillt.“ Die gemeinsame Verbindung zur Stadt wollte 6lack auch durch das Musikvideo zu „Know My Rights“ verkörpern, das zum EP-Release am 26. Juni erschien. „Es ist eine Art Verschmelzung zwischen L.A. und Atlanta. Ich bin rüber geflogen um ein paar Szenen zu drehen. Aufgenommen haben wir ihn aber getrennt von einander.“

 

Was auf „6pc Hot“ noch zu beobachten ist, ist 6lacks Umgang mit den Emotionen, die er während der Quarantäne verspürt hat. „Can’t wait till we living like we wanna“ singt er auf „Outside“. Damit bezieht er sich auf eben die letzten Monate, aber auch auf die Zukunft. „Im zweiten Part von Outside wollte ich eben diese Emotionen auf die normalen Umstände übertragen. Wie ich meine jetzigen Wünsche äußern kann und meine Gefühle in Beziehungen am liebsten ausdrücken würde.“

Dabei kann man auch sehr gut das Zusammenspiel aus 6lacks Texten und seinem Soundbild beobachten. Die sanften akustischen Töne, die sich auf „ATL Freestyle“ wie um 6lacks Stimme legen oder das sich transformierende Vocal-Sample am Anfang von „Elephant in the Room“, produziert von niemand geringerem als Timbaland höchst persönlich. Obwohl an der EP allerhand Produzenten mit angepackt haben, klingt alles wie aus einem Guss. Das lag mit unter am Londoner Executive Producer Fwdslxsh. „Das geht bei uns wirklich Hand in Hand. Wir stehen in ständigem Kontakt, holen uns gegenseitig Feedback ein und stellen sicher, dass es genau der Sound ist, den ich haben möchte.“

Unser ganzes Gespräch macht den Eindruck, als hätte 6lack bereits einiges an Musik in der Hinterhand. Neben den aktuellen Schwierigkeiten kommt allerdings noch dazu, dass er nichts veröffentlichen möchte, mit dem er nicht zu 100% zufrieden ist. Mit „6pc Hot“ hat er seinen Fans aber schonmal genau das gegeben. Ein Tape, dass seine Gefühlswelt der letzten Monate perfekt wiedergibt und definitiv mehr ist, als nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird.